Wie oft habe ich folgende Sätze in meinem Leben gehört:
➡️Sei doch bitte nicht so empfindlich!
➡️Machst du dir nicht zu viele Gedanken?
➡️Sei doch nicht so kompliziert!
➡️Du musst dir ein dickeres Fell zulegen, um in dieser Gesellschaft klar zu kommen!
Diese Sätze tun weh. Sie geben mir das Gefühl, nicht richtig zu sein. Anders zu sein. Nicht in diese Gesellschaft zu passen. Seit meiner Kindheit verfolgt mich das Gefühl, dass ich so wie ich bin, nicht gut genug bin. Kennst du dieses Gefühl, dass du nicht richtig bist? Dass du anders bist? In meinem Umfeld öffnen sich immer mehr Menschen, dass sie ähnlich fühlen und diese Gefühle einen grossen Stellenwert in ihrem Leben einnehmen.

Deshalb greife ich dieses Thema auf und ich möchte dir einen kleinen Einblick in meine Vergangenheit geben, um aufzuzeigen, dass dieses Gefühl mich bereits lange begleitet. Heute bin ich mir sicher, dass dieses Gefühl von "Nicht gut genug sein, anders sein zu müssen" einer meiner Hauptgründe für mein Burnout war. Diese Energie, die man dafür aufwendet, eine Rolle zu spielen. Nur um dazuzugehören.
➡️Das menschliche Bedürfnis, dazuzugehören
Wir Menschen sind soziale Wesen. Stell dir nun mal vor, wenn du als Jugendliche in eine neue Klasse kommst und es dein grösster Wunsch ist, dazuzugehören. Viele Freunde zu haben, zu hören, dass du "cool" bist, dass sie dich im Sportunterricht in ihrem Team haben wollen und dich nicht als Letzte wählen, weil es sein muss🤪.
Du bist aber nicht cool. Du bist schüchtern, du bist eher ruhig, eine Streberin. Die Nette, die Brave mit den guten Noten. Bei den Mitschülern kommt das nicht gut an. Manchmal hätte ich mir gewünscht eine Rebellin zu sein, frech den Lehrern gegenüber, nur um nicht als diese brave Satu angeschaut zu werden.
Am liebsten verbringst du deine Zeit in deinem Zimmer mit deinen Büchern und tauchst ab in eine andere Welt. Für ein paar Stunden hast du plötzlich eine Zwillingsschwester, die mit dir zusammen auf dem Internat ist. Ihr seid beliebt und erlebt eine intensive, schöne Zeit (an alle weiblichen Leserinnen aus der 80er-Generation: Kennt ihr Hanni und Nanni von Enid Blyton?😁).
Dabei begleitet dich immer dieses nagende, traurige Gefühl, dass du nicht "okay" bist. Ein Gefühl, das als Jugendliche, die einfach dazugehören will, kaum auszuhalten ist. Wie oft plangte ich dem Ende des Unterrichts entgegen und weinte, als ich zuhause alleine in meinem Zimmer war. Ich hätte alles getan, um dazuzugehören. Ich gab mir die Schuld. Ich dachte immer, dass es an mir liegt. Wie konnte es auch anders sein?
➡️Um "normal" zu sein, passt man sich an
Aus lauter Verzweiflung und Einsamkeit fing ich an, mich anzupassen. Es wurde zu meinem wichtigsten Ziel, dass ich von meinen Mitschülern gesehen werde. Dann folgte das, was kommen muss. Ich fing an das Verhalten der "coolen" Mitschüler zu kopieren. Mein einziger Wunsch war es, "normal" zu sein, so wie die anderen. Im Artikel Stark angepasste Kinder verlieren einen Teil ihrer Identität wird dieses Verhalten bzw. Muster erklärt und auch beschrieben, was die (schwerwiegenden) Folgen sein können.
Kennst du diese Buffalos mit den dicken Plateausohlen? Kombiniert mit Schlaghosen🤭? Ich fand beides schrecklich, aber ich trug sie, weil es alle so machten. Und auch wenn ich mich am Wochenende am liebsten mit einem Buch in meinem Zimmer verkrochen hätte, ging ich in Clubs feiern. Ich fühlte mich verloren und ich hielt die Menschenmassen und die laute Musik kaum aus. Aber da zu mir zu stehen und zu sagen, dass mir das nichts bedeutet, wäre unvorstellbar für mich gewesen.
Dabei blieb es nicht. Um mit meinen starken Emotionen (Hallo Pubertät) klar zu kommen, fing ich an aus emotionalen Gründen zu essen. Das beruhigte mich und gab mir Halt. Die überschüssigen Kilos entsprachen aber nicht dem Schönheitsideal und um wieder dazuzugehören, begann ich zu hungern.
Heute überkommt mich ein tiefes Mitgefühl, wenn ich daran denke, wie oft ich gegen meinen Körper gekämpft habe. Sorry, sorry, sorry🤗.
➡️Wenn man erwachsen ist, wird es leichter, oder?
Weiter ging es dann im Arbeitsleben. Da merkte ich schnell, dass sensibel und feinfühlig zu sein eher ein Hindernis darstellt. Ich fing also an die Rolle der "toughen", unnahbaren Satu anzunehmen, um nicht mehr verletzt zu werden.
Ich baute eine Art Schutzmauer auf, um zu verbergen, dass ich sehr sensibel war. Dass ich so viel in meiner Umgebung wahrnahm, von den Stimmungen anderer, bis zu den leisesten Geräuschen, die andere gar nicht hörten.
Dazu kam, dass für mich diese "notwendigen" Apéros eine riesige Herausforderung darstellten. Dieses "sehen und gesehen werden". Mich interessiert der Mensch als solches, jedoch nicht die (geschäftliche) Rolle, die er oder sie spielt. Aber man muss ja "Netzwerken", um beruflich erfolgreich zu sein. Muss man das wirklich?🧐
➡️Waaas, du trinkst nichts?
Dann natürlich das Thema "Alkohol". Ich vertrage Alkohol aufgrund meiner Migräne nicht. Hast du Mal bei einem Apéro "Nein" zu Alkohol gesagt? Kennst du dieses Gefühl, dich rechtfertigen zu müssen, dass du "nur" Wasser trinkst? Sätze wie "Ach komm', ein Gläschen zum Anstossen" habe ich so oft gehört. Und wenn ich doch verneint habe, hatte ich das Gefühl, dass ich eine Spielverderberin bin, dass ich eine Spassbremse bin. Nicht cool genug.
Das ging so weit, dass ich an Events mehr getrunken habe, als gut war. Um lockerer zu werden. Um nicht wieder diejenige zu sein "mit der es keinen Spass macht". Es war mir in diesem Moment egal, dass ich später dann mit einer Migräne für 3 Tage im Bett lag. Es war mir so wichtig, dass ich ein Teil der Gesellschaft bin. Aber zu welchem Preis?
➡️Je mehr du dazugehören willst, desto mehr verlierst du dich!
So oft ging ich über meine Grenzen. Ich könnte noch so viele Situationen aufzählen, wo ich mich verstellt habe, um "in" zu sein. Berührend wird diese Sehnsucht nach Verbundenheit im Artikel von Christina Fischer Je mehr Du dazu gehören willst, desto mehr verlierst Du Dich beschrieben. Wie weit man zu gehen bereit ist.
„Folge nie der Menge, nur weil du Angst hast, anders zu sein.“
- Zitat unbekannt -
Es verbraucht so viel Energie, nicht du selbst zu sein. Zu schweigen, wenn du eigentlich etwas sagen möchtest. Oder "Ja" zu sagen, obwohl alles in dir dagegen rebelliert. Das mag eine Zeit lang gut gehen, bei mir waren es rund 20 Jahre. Aber wenn ich heute an die letzten Jahre zurückdenke, spitzte sich die Situation immer mehr zu. Nie war ich gut genug, nie hat es gereicht, auch wenn ich von Aussen betrachtet bis zum Schluss "erfolgreich" (im weltlichen Sinne) war.
➡️Der Mut, du selbst zu sein
Mit diesem Artikel möchte ich dir einen Eindruck vermitteln, wie so ein schleichender Prozess in eine psychische Krise aussehen kann. Wie er bei mir ausgesehen hat. Es spitzt sich zu, spitzt sich zu, bis es nicht mehr geht. Bis der Körper einfach nur noch "Stopp" sagt.
Ich habe daran geglaubt, dass ich, wenn ich dies und jenes "optimiere", endlich gesehen werde. Was für ein krasser Trugschluss. Wir werden nie gut genug sein, wenn wir diesen Selbstoptimierungswahn und den Druck von aussen (und auch von innen) nicht stoppen.
Es ist ein Prozess. Vielleicht ein lebenslanger Weg zurück zu sich selbst. Zu diesem authentischen ICH, das einzigartig ist. Ein Weg der so viel Schönes bringt, aber dich auch immer wieder in alte Muster zurückfallen lässt.
Diese Muster sind aber nicht generell schlecht. Sie haben dir mal gedient. Als Kind waren diese Muster ein Überlebensmechanismus, ohne die wir vielleicht stärkeren Schaden davon getragen hätten.
➡️Du bist so viel stärker, als du dir je vorstellen kannst
Wir sind nicht machtlos. Das Einzige was wir brauchen ist Mut. Mut, authentisch zu sein. Mut, sich die eigenen Schwächen einzugestehen. Und dann als friedvolle Kriegerin (oder Krieger) den eigenen Weg zu gehen. Du kannst das Bild einer Kriegerin auch durch eine Löwin ersetzen.
Nimm' das Bild, welches dir das Gefühl vermittelt, stark zu sein. So viel stärker, als du dir je vorstellen kannst. Dieser Weg lohnt sich so sehr, auch wenn ich noch am Anfang bin, weiss ich, dass ich heute schon viel authentischer lebe als noch vor ein paar Jahren.
Was macht dieser Artikel mit dir? Kommen dir diese Gefühle bekannt vor? Ich freue mich sehr, wenn du mir darüber berichtest. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Von Herzen
Satuli💕
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